Jungunternehmenforum

la stizun: Mehr als ein Laden – ein sozialer Treffpunkt rund um die Uhr

15. Oktober 2025

In Vignogn ticken die Uhren anders. Hier kauft man auch um Mitternacht noch Milch und am Sonntagmorgen den heissen Kaffee für den Wanderausflug. Als der örtliche Volg schloss, wurde vor Ort eine nicht alltägliche Lösung entwickelt: Entstanden ist la stizun – ein rund um die Uhr geöffneter Selbstbedienungs- Laden mit weit über 1‘000 Produkten. Doch das Projekt ist weit mehr als die Rettung eines Dorfladens – es gilt heute als Kompetenzzentrum für gleichermassen betroffene Bergregionen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen, um Erfahrungen aus Betrieb und Organisation weiterzugeben. Mit ihrer Idee haben sich Gründer Gianfranco und Geschäftsleiterin Sandra für den Final des diesjährigen Founder-Award 2025 qualifiziert. 


von Patrick Ulber

 

Die Geschichte von la stizun beginnt mit einem Ende. Als 2022 der zentral geführte Volg in Vignogn schloss, stand das 200-Seelen-Dorf vor einem Problem. «Darum hatte eine Interessensgemeinschaft den Wunsch, eine Nachfolgelösung zu finden», erinnert sich Gianfranco. Die örtliche Genossenschaft ViVal Lumnezia war bereit, als Träger-Organisation einzuspringen. Langfristig musste jedoch eine nachhaltige Lösung her, denn Vignogn ist kein Einzelfall. Hier setzte Gianfranco als Projektleiter an, finanziert von der Linsi Foundation. Seine Aufgabe: eine zukunftsfähige Lösung für periphere Regionen entwickeln, in denen andere Detailhändler kein Engagement mehr zeigen. 

Nach einem Jahr Planung wurde am 1. Januar 2023 offiziell die la stizun GmbH gegründet und eröffnete ihre Pilotfiliale in Vignogn im März. Im Folgejahr stieg Sandra als Allrounderin ins Team ein und übernahm später die operative Geschäftsleitung. «Für mich ist es ein Herzensprojekt, das ich auch nach dem Ende meiner zweijährigen Projektleitung strategisch weiter begleite», sagt Gianfranco. 

Unkompliziert & gemütlich verweilen 

Das Konzept von la stizun ist einfach und effizient: Läden für Randregionen entwickeln. Rund um die Uhr geöffnet. Nah an den Bedürfnissen der Bergbevölkerung. In der Pilotfiliale erhalten Kundinnen und Kunden jederzeit Zutritt über gängige NFC-fähige Karten wie Bankkarte oder SwissPass. «Uns ist wichtig, es möglichst niederschwellig zu halten», erklärt Sandra. Keine Registrierung, keine App, keine Hürden – die Produkte werden selbst gescannt und an der Kasse bezahlt. 

Doch la stizun ist mehr als ein Automat mit Türen. Der Pilotladen verfügt über eine gemütliche Kaffee-Ecke, die zu einem Bistro-Bereich ausgebaut werden soll. «Die soziale Komponente als Treffpunkt sowie das Einbringen von Kundenwünschen ist zentral für unser Konzept», betont Gianfranco. Täglich nutzen über 100 Menschen den Pilotladen – nicht alle kaufen ein, doch sie kommen zusammen. 

Lernen durch Rückschläge 

Der Weg zum heutigen Erfolg war nicht ohne Hindernisse. «Wir haben unterschätzt, was im Lehrbuch steht», sagt Gianfranco offen. Das wichtigste Learning: Kundenorientierung. Anfangs überwogen die Bio-Produkte, die Dorfbevölkerung war jedoch an Volg-Produkte gewöhnt. Heute stehen Bio, regionale und konventionelle Produkte nebeneinander – die Kundschaft entscheidet selbst. Mit rund 85 Einkäufen täglich und einem Umsatzwachstum von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr hat sich das Konzept im Jahr 2025 etabliert. «Je länger der Laden existiert, desto mehr Menschen kommen», ergänzt Sandra. 

Eine vielfältige Kundschaft rund um die Uhr 

Die Zielgruppe in Vignogn ist sehr breit. «Von den älteren Bewohnern im Dorf bis zu den Jugendlichen, die am Abend kommen, weil andere Läden bereits geschlossen haben», erklärt Sandra. Auch Bauarbeiter nutzen die Mittagspause für einen schnellen Imbiss, Wanderer decken sich für ihre Ausflüge ein. Das Einzugsgebiet erstreckt sich über Vignogn hinaus, besonders an Wochenenden und Feiertagen profitieren Besucher von den flexiblen Öffnungszeiten. 

la stizun – das Kompetenzzentrum 

Als Kompetenzzentrum bündelt la stizun Erfahrungen und Prozesse aus der Pilotfiliale und stellt sie als erprobtes Konzept für andere Regionen bereit. Ein automatisiertes Warenwirtschaftssystem mit Bestellvorschlägen und optimierter Lagerbewirtschaftung sorgen für effiziente Abläufe und reduzieren Food Waste. 

Arbeitsplätze mit attraktiven Tätigkeiten – von der Ladengestaltung bis zur Analyse von Betriebsdaten – werden geschaffen. «Es ist uns wichtig, dass Mitarbeitende vielseitige Aufgaben übernehmen und direkt am Erfolg des Ladens mitwirken», erklärt Sandra. 

Die Berücksichtigung regionaler Produzenten fördert zudem Innovation bei Produktideen und stärkt die lokale Wertschöpfung. 

Skalierung mit Weitblick 

Die Zukunftspläne von la stizun sind konkret und ambitioniert. Ein zweiter unabhängiger Standort wird derzeit vom Kompetenzzentrum bei der Planung begleitet, weitere Anfragen aus anderen Kantonen zeigen das Potenzial und die Nachfrage. «Unser Ziel ist es, in den nächsten Jahren weitere Standorte bei der Umstellung auf das Konzept von la stizun zu unterstützen», erklärt Gianfranco. 

«Dabei geht es vor allem darum, die Nahversorgung in peripheren Regionen nachhaltig zu sichern.» Jeder neue Standort wird individuell an die lokalen Bedürfnisse angepasst, um lebenswerte Randregionen zu fördern. Mit la stizun zeigen Sandra und Gianfranco, dass innovative Ideen das Dorf neu beleben und Menschen zusammenbringen. 

Das 13. Jungunternehmenforum Graubünden

Die Founders-Night findet am 29. Oktober 2025 an der Fachhochschule Graubünden statt. Sandra und Gianfranco buhlen mit la stizun im Startup- Duell um den Founders-Award 2025. Ihre Konkurrenten sind MYNE und ihre neue BH-Technologie sowie PROPI mit ihrem «Harta Iischtee». Das Preisgeld beträgt 3000 Franken. Ausserdem wird das beste Bündner Tech-Startup des Jahres ausgezeichnet. 

Weitere Informationen und Tickets für den Anlass gibt es unter www.jungunternehmenforum.ch.