KI-Beratung

Liebe KMU: Vergesst ChatGPT, fokussiert euch auf euer Business.

Liebe KMU: Vergesst ChatGPT, fokussiert euch auf euer Business.

KI-Beratung
7. Oktober 2024 Lesedauer: 6 Minuten
Fabio Aresu

Die Wirtschaftswelt wird derzeit von einer Welle der KI-Euphorie erfasst. Kleine und mittlere Unternehmen jagen dem vermeintlich neuesten Trend hinterher, ohne ihre eigentlichen Ziele im Blick zu behalten. Es ist höchste Zeit für einen Realitätscheck und einen radikalen Perspektivenwechsel.

 

Stellt euch vor, ihr steht in einem Baumarkt, umgeben von High-Tech-Werkzeugen: Lasermessgeräte, computergesteuerte Sägen, 3D-Drucker für Bauteile. Beeindruckend, keine Frage. Ihr seid dort, um ein Werkzeug zu kaufen, habt aber keine Ahnung, was ihr eigentlich bauen wollt. Absurd? Genau das passiert gerade überall dort, wo KMU versuchen, Künstliche Intelligenz zu implementieren. Sie fokussieren sich auf die glänzenden KI-Tools und vergessen dabei das Wichtigste: ihr eigenes Geschäft.

Der KI-Hype: Eine gefährliche Ablenkung für KMUs

In den letzten Monaten lässt sich ein klarer Trend beobachten: Zahlreiche KMU drängen darauf, KI einzusetzen - oft ohne klares Ziel. Sie haben von ChatGPT gehört, von Microsoft Copilot geträumt und über die neuesten Large Language Models gelesen. Viele dieser Unternehmen wissen aber nicht genau, wofür sie KI eigentlich nutzen wollen. Es ist, als würden sie blindlings dem neuesten Trend hinterherjagen, ohne die Konsequenzen für ihr Geschäft zu bedenken.

Lasst mich das deutlich sagen: Dies ist der falsche Ansatz. Es ist ein Irrweg, der nicht nur Zeit und Ressourcen verschwendet, sondern im schlimmsten Fall euer gesamtes Unternehmen gefährden kann.

Die einzig relevante Frage

Der Knackpunkt, den schätzungsweise 90% aller KMU übersehen, ist folgender: Fragt niemals "Wie sollen oder müssen wir ChatGPT (oder irgendein anderes KI-Tool) einsetzen?". Diese Frage führt in eine Sackgasse und resultiert in oberflächlichen Lösungen, die an eurem eigentlichen Geschäft vorbeigehen.

 

Die richtige Fragestellung lautet: "Welche konkreten Aufgaben, Prozesse oder Tätigkeiten in unserem Unternehmen wollen und können wir automatisieren oder optimieren?" Das ist der Schlüssel zum Erfolg. Es geht nicht um die Tools. Es geht um eure Prozesse, eure Herausforderungen, eure Ziele.

KI ist Mittel zum Zweck, nicht der Zweck selbst

Wer damit beginnt, KI um jeden Preis integrieren zu wollen, hat bereits verloren. Es geht IMMER darum, das eigene Geschäftsmodell zu optimieren. KI ist dabei nur ein Werkzeug – ein äusserst mächtiges zwar, aber eben nur ein Werkzeug.

Stellt euch vor, ihr würdet einen Schreiner engagieren und ihm sagen: "Benutze auf jeden Fall deinen neuen Laser-Cutter!" – ohne zu erwähnen, dass ihr eigentlich nur einen simplen Holzstuhl benötigt. Genauso unangemessen ist es, KI einsetzen zu wollen, ohne genau zu wissen, wofür.

Der richtige Ansatz: Von innen nach aussen

  1. Analysiert euer Unternehmen bis ins kleinste Detail: Wo genau hakt es? Welche Prozesse verbrauchen unverhältnismässig viel Zeit und Ressourcen? Wo verliert ihr Kunden? Wo entstehen die meisten Fehler? Taucht tief in eure Daten ein, sprecht mit euren Mitarbeitern an der Front. Die wahren Probleme liegen oft dort, wo ihr sie am wenigsten erwartet.

  2. Identifiziert echte Optimierungspotenziale: Welche Aufgaben sind wirklich repetitiv und könnten automatisiert werden? Wo werden grosse Datenmengen verarbeitet, die ein Mensch kaum noch überblicken kann? Aber Vorsicht: Nicht alles, was automatisiert werden kann, sollte auch automatisiert werden. Manchmal ist der menschliche Aspekt euer entscheidender Wettbewerbsvorteil.

  3. Definiert messbare Ziele: Was genau wollt ihr verbessern? Um wie viel Prozent soll die Effizienz steigen? Welche Kosten sollen in welchem Zeitraum gesenkt werden? Wie stark soll sich die Kundenzufriedenheit verbessern? Ohne klare, quantifizierbare Ziele agiert ihr im Dunkeln.

  4. Jetzt erst kommt die KI ins Spiel: Welche KI-Lösungen könnten bei der Erreichung dieser spezifischen Ziele helfen? Vielleicht stellt ihr fest, dass ihr gar keine hochkomplexe KI benötigt, sondern dass eine einfache Prozessautomatisierung ausreicht. Oder ihr erkennt, dass euer grösstes Problem in der Datenqualität liegt – ein Bereich, in dem KI zwar unterstützen kann, aber nicht die Hauptrolle spielt.

  5. Startet klein, aber denkt gross: Beginnt mit einem klar definierten Pilotprojekt. Etwas, das in 2-3 Monaten messbare Ergebnisse liefern kann. Lernt daraus, passt an und skaliert dann. Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, und eure KI-Transformation wird es auch nicht sein.

Verständnis schlägt Tools – immer

Versteht mich nicht falsch: ChatGPT, DALL-E und Co. sind beeindruckende Technologien. Aber sie sind nicht die Lösung für alles. Was ihr wirklich benötigt, ist ein tiefes Verständnis eures eigenen Geschäfts und ein klarer Blick für die Möglichkeiten, die KI bietet.

Ich habe Unternehmen kennengelernt, die viel Geld in die neuesten KI-Tools investiert haben, nur um festzustellen, dass ihre grundlegenden Geschäftsprozesse so chaotisch waren, dass keine KI der Welt ihnen helfen konnte. Auf der anderen Seite habe ich KMU erlebt, die mit minimalem KI-Einsatz maximale Wirkung erzielt haben – weil sie genau wussten, wo der Schuh drückt.

KI-Integration ist Massarbeit, kein Fertiggericht

Jedes KMU ist einzigartig. Was für den Handwerksbetrieb im Prättigau funktioniert, kann für den Online-Händler nutzlos sein. Deshalb ist es so entscheidend, dass ihr euch nicht von den vielzitierten Hype-Wellen mitreissen lasst. Konzentriert euch auf eure spezifischen Herausforderungen und Ziele.

Ein Beispiel: Ein Restaurant kämpfte mit ineffizienter Personalplanung und langen Wartezeiten. Bei der Analyse ihrer Prozesse stellten sie fest, dass ihr Hauptproblem die mangelnde Vorhersage von Stosszeiten und die ineffiziente Kommunikation zwischen Küche und Service war. Die Lösung? Eine Kombination aus Datenanalyse-Software zur Vorhersage des Gästeaufkommens und einem KI-gestützten Bestellsystem zur Priorisierung von Bestellungen. Diese gezielte Lösung führte zu optimierter Personalplanung, kürzeren Wartezeiten und zufriedeneren Gästen. Keine hochkomplexe KI, aber eine Lösung, die genau ihr Problem löste.

Der menschliche Faktor: Unverzichtbar in der KI-Ära

Egal wie clever die KI wird, am Ende braucht es immer noch Menschen, die die richtigen Fragen stellen, die Ergebnisse interpretieren und strategische Entscheidungen treffen. Eure Mitarbeiter sind nicht der Gegner der KI, sondern ihr wichtigster Verbündeter.

Investiert in die KI-Bildung eurer Mitarbeiter. Nicht, damit sie Programmierer werden, sondern damit sie verstehen, wie sie KI als Werkzeug in ihrem Bereich einsetzen können. Der Kundenservice-Mitarbeiter, der weiss, wie er einen KI-Chatbot effektiv einsetzen und überwachen kann, ist Gold wert. Genauso wie der Vertriebsmitarbeiter, der KI-generierte Erkenntnisse nutzt, um seine Kundengespräche zu optimieren.

Nutzt euren Verstand, bevor ihr die KI verwendet

KI kann für KMU ein echter Game-Changer sein. Aber nur, wenn ihr sie richtig einsetzt. Vergesst den Hype, konzentriert euch auf eure Geschäftsziele und betrachtet KI als das, was sie ist: ein Werkzeug, um diese Ziele zu erreichen.

 

Mein dringender Rat an alle KMU: Hört auf, blindlings nach KI-Lösungen zu suchen. Fangt an, eure Geschäftsprozesse kritisch zu hinterfragen. Identifiziert eure wahren Herausforderungen. Definiert klare, messbare Ziele. Die richtige KI-Lösung ergibt sich dann fast von selbst.

 

Und wer weiss – vielleicht stellt ihr am Ende fest, dass ihr gar keine KI benötigt. Auch das ist eine wertvolle Erkenntnis. Denn nichts ist teurer als eine Lösung für ein Problem, das ihr gar nicht habt.

 

KI ist keine Wunderwaffe. Sie ist kein Allheilmittel. Sie ist ein Werkzeug. Ein mächtiges Werkzeug, ja. Aber nutzlos in den Händen derer, die nicht wissen, was sie eigentlich erreichen wollen. Also, KMU dieser Welt: Hört auf, dem KI-Hype hinterherzurennen.

 

Fangt an, euer Geschäft zu verstehen.

 

Der Rest wird folgen.

Fabio Aresu ist Markeningenieur, Spezialist für Digital Business Engineering, KI-Berater und -Integrator sowie Organisator des Jungunternehmenforums Graubünden.